Heiligendamm - oder vom Unsinn eines Wahnsinns

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Das Gipfeltreffen der Staats- und Regierungschefs der acht größten Wirtschaftsnationen der Welt ist seit Wochen Topthema in den Medien. Werden extremistische Globalisierungsgegner versuchen, die Konferenz mit Gewalt zu stören? Dürfen Kritiker demonstrieren oder nicht, und wenn ja: Mit welchem Abstand zum Tagungsort? Darf der Staat im Vorfeld durch massive Eingriffe in die Privatsphäre präventiv tätig werden und was kann er tatsächlich mit solchen Aktionen verhindern? Durchweg berechtigte Fragen und doch steht eine andere, meiner Ansicht nach die wichtigste Frage unbemerkt im Hintergrund. Nämlich die Frage nach dem Sinn dieses Treffens.

Schon die Legitimation ist fragwürdig. Die G8 sind keine gewählte Organisation. Sie bilden lediglich ein informelles Forum ohne eigenständigen Verwaltungsapparat oder gar Entscheidungsbefugnisse. Was also macht sie dennoch so wichtig, dass ihre Treffen jedes Jahr aufs Neue massenhaft Proteste auf sich ziehen? Es mag an der Arroganz liegen, mit der man sich als Herrscher der Welt aufspielt, vorgibt die globalen Probleme lösen zu können und doch nur auf den eigenen Vorteil bedacht ist.
„Wachstum und Verantwortung“ lautet die Parole, welche Angela Merkel zum Leitgedanken des Treffens erhoben hat. Wachstum und Verantwortung zuerst einmal für die Weltwirtschaft und danach auch für Afrika. Letzteres ein hehrer Anspruch, betrachtet man, was 50 Jahre Weltwirtschaft - in erster Linie gelenkt durch eben jene „Acht“ - auf diesem Kontinent angerichtet haben. Aber nun sind die G8 Staaten angetreten, es zu richten. Der Weg, der dort hinführen soll, führt über den Freihandel.
Schon jetzt steht fest, dass Heiligendamm keine Ergebnisse bringen wird. Zwar wird der staunenden Masse eine opulente Schlussakte präsentiert werden, doch enthalten wird sie neben Lippenbekenntnissen und Worthülsen wenig Brauchbares. Meine Skepsis mag übertrieben scheinen, doch auch bislang zeichneten die G8 bereits angestoßene Entwicklungen eher nach, als selbst Anstöße zu geben.
Konkrete Ziele sind verpönt!
Sollten die Staats- und Regierungschefs tatsächlich Neues auf den Weg bringen, ich zöge meinen Hut vor ihnen. Doch Neues allein wäre nur ein Anfang. Konkreter Ziele bedarf es, damit sich etwas bewegt. Nur kann daran keine der großen Wirtschaftsnationen ein echtes Interesse haben. Zumindest nicht dann, wenn die Ziele zu Ungunsten der eigenen wirtschaftlichen Entwicklung gingen - was sie unweigerlich müssten.
Letztlich ist dieses Treffen eine Farce mit jährlicher Wiederholung. Man bleibt unter sich, hält Öffentlichkeit und störende Kritiker auf Abstand und trifft sich zum gemütlichen Beisammensein. Der Steuerzahler zahlt auch hier die Zeche für die Präsentation von Macht, welche sich leider in der längerfristigen Betrachtung allzu oft als Ohnmacht vor den wahren Problemen des Planeten und seiner Bewohner herausstellt. Ich würde mir wünschen, dass die Mittel, die in dieses Schauspiel der Eitelkeiten investiert werden, den Verlierern der Globalisierung zu Gute kämen und schlage zudem vor, dass sich die acht Damen und Herren stattdessen auf eigene Kosten irgendwo im Stillen treffen und sich einmal erklären lassen, wie es um jene Welt steht, die sie sich durch Zäune und bewaffnete Einsatzkräfte vom Leib halten wollen.
Es ist die ganze Aufregung nicht wert, was dort in Heiligendamm geschieht und würde man es ausfallen lassen, würde die Welt dadurch weder besser noch schlechter - nur möglicherweise etwas ruhiger, vor allem in Heiligendamm im Juni 2007. (LCT)

 
 

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